
Der Garten
‚Garten‘ – dieses Wort löst vermutlich bei jeder Person eine andere Erinnerung aus oder ruft ein ganz bestimmtes Bild hervor. Gärten haben die Fähigkeit, die Menschen „in wehmütiger Nostalgie an das Goldene Zeitalter der Kindheit“ (Volkmann, 9) zu erinnern. Sei es der Garten der Großeltern, in dem an einem warmen Sommertag Erdbeerkuchen gegessen wird, der Garten der Eltern, in dem man ein Baumhaus baut oder der Botanische Garten, in dem man gerne spazieren geht.
Der Begriff ‚Garten‘ (Substantiv, maskulin) stammt von dem Mittelhochdeutschen Wort ‚garthe‘, bzw. dem Althochdeutschen Wort ‚garto‘ ab und bedeutet im eigentlichen Sinne ‚das Umzäunte‘. Die Begriffe ‚Grünanlage‘ und ‚Grünfläche‘ können synonym zu dem Begriff verwendet werden. Laut Duden ist ein Garten „ein begrenztes Stück Land [am, um ein Haus] zur Anpflanzung von Gemüse, Obst, Blumen o.Ä.“. Ein Garten kann für eine große Arten- und Pflanzenvielfalt ein Zuhause sein. Er stellt für sie ein lebenswichtiges Biotop (siehe Artikel Biotop) dar, in dem sich viele unterschiedliche Tierarten wie Hummeln, Schmetterlinge, Bienen und Co., aber auch Pflanzenarten, wie der Apfelbaum oder der Löwenzahn wohl fühlen.

In der Literatur gilt der Garten seit der Antike als literarischer Topos – locus amoenus (=lieblicher Ort) –; ein Ort, an dem sich zum Beispiel Liebende treffen, die Sonne scheint, der Bach plätschert und die Vögel zwitschern. Diese positive symbolische Aufladung ist auch in der Religion verankert, da das Paradies durch den Garten symbolisiert wird, in dem es viele verschiedene Pflanzen, eine friedliche Tierwelt, Frieden und Glück gibt. Schriftsteller:innen und Künstler:innen erschaffen an diesem Ort eigene fiktive Welten und finden dort außerdem die Quelle der poetischen Inspiration (vgl. Ananieva, 30).
In seinem Gedicht „Das sind die Gärten, an die ich glaube“ aus dem Jahr 1897 arbeitet sich beispielweise auch Rainer Maria Rilke am literarischen Topos des locus amoenus ab. Wörter wie „Schweigen“ (V.4) , „Milde“ (V.8) und „Teich“ (V.5) spiegeln die Eigenschaften des „lieblichen Ortes“ wider. Besonders die Verse „Auf dem Teich aus den glänzenden Ringen schwimmt ein Schwan dann von Rand zu Rand“ (V.5-6) vermitteln ein Bild der Ruhe und Reinheit. Die Alliteration „Milde des Mondes“ (V.8) verleiht dem Gedicht eine ruhige und fließende Melodie, die sich durch das ganze Gedicht hindurchzieht. Besonders die aufkommende Dunkelheit wird nicht als bedrohlich empfunden, sondern eher als beruhigend und schützend. Das lyrische Ich spricht von den Gärten, an die es glaubt (V.1), was als der Gedanke an das Paradies interpretiert werden kann. Die erste Strophe ist besonders den Pflanzen gewidmet. Das lyrische Ich spricht von den Beeten, der Laube und den Linden.
Das sind die Gärten, an die ich glaube…
– Rainer Maria Rilke (1897)
Das sind die Gärten, an die ich glaube:
Wenn das Blühn in den Beeten bleicht,
und im Kies unterm löschenden Laube
Schweigen hinrinnt, durch Linden geseigt.
Auf dem Teich aus den glänzenden Ringen
schwimmt ein Schwan dann von Rand zu Rand.
Und er wird auf den schimmernden Schwingen
als erster Milde des Mondes bringen
an den nicht mehr deutlichen Strand.
Rilke selbst beschreibt oft die Schönheit der Gärten, wie im obigen Gedicht erkennbar wird. Während seiner Zeit in Paris empfindet er die „Unnatur der Gärten“ (Hagemann 2015, S.153) als bedrängend und er stellt diese mit der „Massengesellschaft und Urbanisierung“ (Hagemann, 153) gleich.

Gärten bilden außerdem „kultivierte Landschaften“ (Goldstein, 13), die zuvor als naturbelassene Flächen gelten und anschließend vom Mensch kultiviert werden. Durch diese Kultivierung gelangen sie außerdem in den Fokus der Literatur. Auch „belanglosen Naturereignissen“ (Goldstein, 26) im Garten wird hier Aufmerksamkeit geschenkt, wie wir bereits in Rilkes Gedicht sehen konnten. Goldstein beschreibt: „Wildnis ist der Einspruch gegen einen unaufgeklärten Anthropozentrismus. Sie verlangt danach, etwas anderem Raum zu gewähren, das nicht wir sind.“ (Goldstein, 277). Demnach entspricht der Garten dem exakten Gegenteil. Hier verändert und schafft der Mensch die Natur nach eigenem Willen, nach eigener Vorstellung. Dies entspricht außerdem der „Naturästhetik“ (Goldstein, 236) anhand derer deutlich wird, dass die Natur vom Menschen vorzugsweise als schön gestaltete und empfundene Gärten beschrieben wird.