
Ethnobotanik
Der Begriff Ethnobotanik ist eine Zusammensetzung aus den vom Griechischen entnommenen Wörtern Ethnos und Botanik und wurde 1895 von dem amerikanischen Botaniker John W. Harshberger geprägt. Die Bedeutung von „ethnos“ ist Schar, Volk oder auch Stamm, während „botanikē“ übersetzt Pflanzenkunde heißt.

Ethnobotanik ist die Wissenschaft der Beziehung zwischen Ethnien und ihrer pflanzlichen Umwelt.
Die Aufgaben der Ethnobotanik sind das Erforschen, Sammeln und Archivieren der in traditionellen Kulturen verwendeten Pflanzen. Ein weiterer Aspekt ist auch die Interpretation dieser in einem kulturellen Zusammenhang. Um es besser zu verdeutlichen, versucht man herauszufinden, welche Namen ein Stamm einer Pflanze gegeben hat und ob diese als Nahrungs-, Rausch- oder Färbemittel, als Gift, Zier-, Heil- oder Kultpflanze genutzt wurde. Bei Letzterem war es nicht selten, dass man auch Götter, Geister, Tierwesen oder Heilige mit den unterschiedlichen Gewächsen in Verbindung brachte.
Ein einheitliches Selbstverständnis in der Ethnobotanik zu finden ist ein schwieriges Unterfangen. Einige Forscher, wie die amerikanische Wissenschaftlerin Janis B. Alcorn, verstehen ihr Arbeitsgebiet als naturwissenschaftliche Forschung, um neue pflanzliche Arzneistoffe für die Medizin zu finden. Dieser Ansatz ist nicht falsch, da 25 bis 50 % aller Wirkstoffe in Arzneien aus Naturprodukten bezogen werden, doch leider übergeht man dabei die traditionellen Kulturen, welche als große Wissensquelle dienen. Der Ursprung dieses Problems liegt in der Ethnobotanik selbst. Die Botanik ist eine rein naturwissenschaftliche Disziplin, während die Ethnologie sich auch als eine Kulturwissenschaft betrachtet und mit geisteswissenschaftlichen Aspekten arbeitet. Es prallen also zwei sehr unterschiedliche Bereiche aufeinander, was das Verständnis und auch das Eigenverständnis dieser Wissenschaft erschwert.
Die enge Bindung von Mensch und Natur, welche viele Forscher:innen in ihren Definitionen der Ethnobotanik übersehen, kann gut anhand einer Studie des Wissenschaftlers Brian Boom gezeigt werden. Sein Themengebiet ist der Naturschutz des Regenwaldes, sowie die indigene Nutzung der dort beheimateten Pflanzenwelt. 1995 besuchte er dafür den Stamm der Chácabo im bolivianischen Amazonasgebiet und ging der These nach, dass fast alle Pflanzen in der Umgebung von Nutzen wären. Die Einheimischen konnten im Umkreis des Dorfes Alto Ivón 360 Gefäßpflanzen identifizieren und hatten für 305 davon Verwendung. Ebenfalls nutzen sie 95 % der Bäume auf einer Fläche von einem Hektar in ihrem Alltag. Ähnliche Resultate konnte Boom bei den Panaré-Indianern in Venezuela, sowie der Botaniker William Balée bei den Stämmen Kaápor und Tembé in Brasilien finden.
Diese Ergebnisse zeigen, dass viele Pflanzen mehr Verwendungsmöglichkeiten aufweisen, als bisher von Wissenschaftlern vermutet wurde. Dadurch gewinnt die Erhaltung des Regenwaldes große Bedeutung, unteranderem auch, da viele dieser Gewächse eine wichtige Lebensgrundlage für die indigenen Völker darstellen. Somit ist die Erhaltung indigenen Wissens ebenfalls eine wichtige Aufgabe der Ethnobotanik. Besondere Aufmerksamkeit muss dabei auf den Wissensaustausch gelegen werden, da es sonst zu einer Ausbeutung kommt, wie es während des Kolonialismus der Fall war.