Die seltene Orchidee: Holunder-Fingerwurz (Dactylorhiza sambucina)

  • Titel des Objekts: Holunder Fingerwurz, Dactylorhiza sambucina
  • Urheber: Elisabeth Schultz (1817-1898)
  • Datierung: 19. Jahrhundert
  • Material: Zeichnung mit Gouache (wasserlösliches Farbmittel mit Kreide) auf Papier/ Druckgrafik
  • Maße: Höhe 32cm, Breite 24cm
  • Standort: Senckenbergianum Frankfurt/M.– Senckenberg 
Abb. 1: Zeichnung eines Holunder-Fingerwurz

Die Holunder Fingerwurz ist eine krautige, ausdauernde Pflanze, die zur Gattung der Knabenkräuter (Dactylorhiza sambucina)gehört. Die Frankfurter Malerin Elisabeth Schulz (1817-1898) hat sie mit Gouache, einem wasserlöslichen Farbmittel, was mit Kreide versetzt wird, auf Papier gezeichnet.

Elisabeth Schulz, eine deutsche Blumenmalerin und Zeichenlehrerin, die von 1817-1898 lebte, hat die Zeichnung der Holunder-Fingerwurz Mitte des 19. Jahrhunderts angefertigt.

Abb. 2: Holunder-Fingerwurz

Sie fertigte an die 1300 Pflanzenbilder aus der Frankfurter Flora, die sie zwar auf Einzelfunde stützte, aber trotzdem nach wissenschaftlichen Standards anfertigte. In ihren Pflanzenbildern wird deutlich mit welch eine Treue zum Detail diese angefertigt wurden. Dies spiegelt sich auch in der Dactylorhiza sambucina wider. Die Holunder-Fingerwurz findet sich in der Natur wieder, wo sie der Gouache-Zeichnung von Schulz sehr ähnelt.

Die Pflanzen sind auf einem ockerfarbenen Hintergrund gezeichnet. Besonders die satte lila Farbe fällt bei der Bildbetrachtung ins Auge. Beim näheren Hinsehen fällt auf, dass die kleinere Blüte von der Wurzel der Größeren mit einem geraden Schnitt abgetrennt worden ist, aber noch eigenständig blüht. Der linke Stängel umfasst vier größere und fünfzehn kleinere, grüne lanzettliche Laubblätter. Lanzettlich bedeutet, dass die Blätter 3-8-mal so lang sind, wie sie breit sind. Sie haben bogige Blattränder, die sich zu beiden Seiten verschmälern. In der Mitte findet sich die breiteste Stelle der Blätter.

Der rechte Stängel hat drei größere und sechzehn kleinere Laubblätter. Das Blatt der kleineren Pflanze sieht aus, als sei es von einem Tier angeknabbert worden. So ist ein großes und ein kleines Loch sichtbar auf dem linken, großen Blatt der kleineren Pflanze. Zwei Blütenblätter mit jeweils einem Laubblatt befinden sich in der Mitte des Bildes. Es ist nicht ersichtlich, von welcher Blüte sie abgefallen sind, sie schweben jedoch symmetrisch nebeneinander in der Luft zwischen beiden Stängeln, knapp über der Wurzel. Die linke, große Pflanze besetzt unten eine beige-braune Wurzel, aus der sie sich nährt. Das Bild besteht aus wenigen Farben, die jedoch durch ihre Leuchtkraft eine imposante Wirkung auf die Betrachtenden besitzen. Die Blätter sind mit schwarzen Akzenten versehen, die das Bild noch realistischer erscheinen lassen.

Die Pflanze steht in der vollen Blüte und die Zeichnung nimmt das gesamte Papier ein. Die Pflanze wird als Ganzes in den Blick genommen, somit werden die Betrachtenden nicht durch Landschaften oder Hintergründe abgelenkt. Dadurch wird der Fokus der Betrachtung direkt auf die Farbintensivität der Pflanze gelenkt. Die Malerin Elisabeth Schulz fertigte ihre Pflanzenbilder detailgetreu an und sobald sie ein schöneres Exemplar fand, zeichnete sie es neu und das vorherige wurde durch die neue Zeichnung ersetzt.

Die Zeichnung weist keinerlei Anzeichen auf, dass es restauriert werden müsste. Das Abbild der Holunder-Fingerwurz wirkt unbeschädigt, jedoch kann es auf Grund des dünnen Untergrunds schnell beschädigt werden.

Dabei handelt es sichum eine Druckgrafik in der Jubiläumsausstellung des Herbariums Senckenbergianum in Frankfurt am Main. Das pflanzliche Objekt besitzt an den unteren beiden Ecken eine Beschreibung, die in handschriftlich verfasst ist. Am unteren linken Rand steht „blüht im Mai bis Juni“ unten rechts steht vermutlich „Orchis latifolia 4 breitblättrig N. 5 durch Querkreuzung“. Orchis latifolia ist nach der Definition das breitblättrige Knabenkraut.

Die Zeichnung von Elisabeth Schulz diente der Wissenschaft und Biodiversitätsforschung. In der Sammlung des Herbariums ist die Holunder-Fingerwurz eine der authentischsten Zeichnungen und eine der wenigen farbigen, was sie außergewöhnlich erscheinen lässt.

Das Bild wurde Mitte des 19. Jahrhunderts angefertigt, leider gibt es keine Informationen der genaueren Datierung. Der monetäre Wert dieser Zeichnung ist gestiegen, da es sich um eine künstlerisch-handwerkliche Leistung handelt. Diese detaillierte Zeichnung hat sicher mehrere Tage in Anspruch genommen und beweist ein großes zeichnerisches Können. Es handelt sich nicht nur um eine Tusche-Zeichnung oder eine Bleistift-Skizze, sondern um eine kolorierte Ausgestaltung mit einer wasserlöslichen Kreide-Bindemittel Mischung, was die detailgetreue Zeichnung erschwert. Heutzutage würde man die Pflanze eher abfotografieren, aber damals entstand ein Kunstwerk, das in seiner realistischen Detailgetreue als Artefakt bis heute erhalten wird.

Die Holunder-Fingerwurz ist eine ausdauernde und perennierende (mehrmals blühende) Pflanze, wodurch ihr eine andauernde Lebensdauer zugesprochen wird. Sie blüht zwischen Mai und Juli und kann eine Wuchshöhe von 10-30cm erreichen. Da sie eher selten in der freien Natur zu finden ist, gehört sie zu den bedrohten Pflanzen. Sie findet sich hauptsächlich in den mitteleuropäischen Alpen oder dem Alpenvorland auf kalkarmem Untergrund.

Biodiversitäts- und Anthropozänfragen zu dieser Pflanze könnten sein, ob sie sich im Laufe der Zeit verändert hat oder sich der Lebensraum oder Standort der Pflanze beispielsweise durch die Klimaveränderung verschoben hat? Gibt es eine Nutzbarkeit der Pflanze? Gibt es ähnliche pflanzliche Objekte, die man mit der Holunder-Fingerwurz vergleichen könnte?

Da sich viele Informationen zur Dactylorhiza sambucina im Internet verlaufen und meist detailreicher über die Gattung der Knabenkräuter oder der Orchidaceae (Orchideengewächse) geschrieben wird, wäre eine Fokussierung auf die Holunder-Fingerwurz wünschenswert. Aktuelle Zeichnungen oder Verbindungen zur Literatur sind nicht leicht aufzufinden, sodass dieser Pflanze, insbesondere durch ihre Seltenheit, mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Besonderes Augenmerk könnte hier auf die Anordnung der Blätter und Blüten gelegt werden oder Zeichnungen von zwei verschiedenfarbigen Blüten (lila und weiß) angefertigt werden, um eine Kontrastierung der Vielseitigkeit dieser Pflanze herzustellen.

Entdeckt man eine Holunder-Fingerwurz in der Natur, sollte dieser besondere Beachtung geschenkt werden, da dies auf Grund der mitteleuropäischen Streuung und der Seltenheit nicht selbstverständlich ist.

Literaturangaben:

Institut für Stadtgeschichte im Karmeliterkloster Frankfurt am Main (o.J.), https//www.stadtgeschichte-ffm.de/de/info-und-service/frankfurter-geschichte/stadtchronik/1917 (07.01.2022).
Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/M. (o.J.), http://sammlungen.uni-frankfurt.de/sammlung/17/herbarium-senckenbergianum-frankfurt-m-fr-a-senckenberg-forschungsinstitut/ (07.01.2022).
(o.V.): Dactylorhiza sambucina/ Holunder-Fingerwurz (2010), http://www.botanische-spaziergaenge.at/viewtopic.php?t=2977 (07.01.2022).

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1: (c) Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/M. (FR), http://sammlungen.uni-frankfurt.de/objekt/174/holunder-fingerwurz-dactylorhiza-sambucina/
Abbildung 2: Obersteirer, http://www.botanische-spaziergaenge.at/viewtopic.php?t=2977, Lizenz: CC0,
Rotes Holunder-Knabenkraut.