Eine Überlebenskünstlerin: Die Sand-Silberscharte

“I saw that animals were important. I saw that plants were even more important. I was also to learn that compared to many of the other species, we weren’t important at all except for the damage we do. We do not rule the natural world, despite our conspicuous position in it. On the contrary, it is our lifeline, and we do well to try to understand its rules.”

Elizabeth Marshall Thomas, The Hidden Life of Deer: Lessons from the Natural World

In den Nachrichten häufigen sich Berichte über den Klimawandel und seinen verheerenden Folgen. Eine davon ist das Artensterben, wobei der mediale Fokus vor allem auf den Tieren liegt. Doch auch Pflanzen sind von der Gefahr des Aussterbens betroffen. Verschiedene Daten zeigen, dass rund 600 Pflanzenarten bereits weltweit ausgestorben sind. Deutschland besitzt seine eigene rote Liste von gefährdeten Tier- und Pflanzenarten, zu denen auch die Sand-Silberscharte gehört.

Das Aussehen

Die Sand-Silberscharte, oder auch Jurinea cyanoides genannt, ist eine heimische Pflanze, die auch in anderen europäischen Ländern – vor allem in Russland – und Asien vorkommt. Sie ist ca. 20-70cm groß und besitzt direkt am Grund Blätter, die fiederteilig sind, wobei auch der Stängel aufrecht und mit mehreren eingebuchteten, kleinen Blättern versehen ist. Sowohl die Unterseite der Blätter als auch der Stängel sind mit einem weißen Filz überzogen. Ihre Blütezeit dauert im Hochsommer von Juli bis September. Die Jurinea cyanoides besitzt keine großen Blüten, sondern viele kleine, die mit einem 3-5cm Umfang den purpurvioletten kugelförmigen Blütenkopf bilden. Diese Art der Blütenzusammensetzung ist kennzeichnend für Korbblütler, Asteraceae, zu deren Familie die Sand-Silberscharte gehört.

Abb. 2: Blüte der Sand-Silberscharte (Jurinea cynaoides)

Schönheit und ihre verschiedenen Facetten

Abb. 3: Mehrere Sand-Silberscharten
Abb. 4: Jurinea cyanoides zu zweit
Abb. 5: Silberscharte am Braunserg-Hundsheimerberg

Ungewöhnlicher Lebensraum

Abb. 6: Sand-Silberscharte
Abb. 7: Wiese als Habitat

Interessant ist auch ihr Lebensraum. Eine Pflanze, die hier heimisch ist, wird ihr Habitat sicher in Wald und Wiesen haben, oder? Ganz im Gegenteil: Sie hat sich so entwickelt, dass sie auch in Extremsituationen überleben kann. Sie kommt hauptsächlich im Sandtrockenrasen vor, also an Orten mit nährstoffarmem Boden, wie Dünen, Moränenkuppen oder Talsandterassen.

Daher bezeichnet man sie auch als Steppendünenpflanze. Besonders ihr tiefläufiges Wurzelsystem, das bis zu 2,5m betragen kann, ist in solch einem Habitat hilfreich. Dadurch kann sie auf die tieferen Bodenschichten zugreifen, um an Wasser zu gelangen und somit ihr Überleben in Trockenzeiten zu sichern.

Stark gefährdet

Die Jurinea cyanoides wird vom BfN der Gefährdungskategorie zwei zugeordnet, ist somit stark gefährdet und wird vom BNatSchG als Pflanzenart klassifiziert, die streng geschützt werden muss. In zehn Bundesländern war sie aufzufinden, wobei sie mittlerweile in Niedersachsen, Bremen, Sachsen und Thüringen ausgestorben oder verschollen, in Brandenburg, Baden-Württemberg und Bayern vom Aussterben bedroht und in Sachsen-Anhalt, Hessen und Rheinland-Pfalz stark gefährdet ist. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern weist mit der Gefährdungskategorie vier auf eine potenzielle Gefährdung der Pflanze hin. Sie wird jedoch nicht nur vom BNatSchG geschützt, sondern auch durch die Berner Konvention und den Richtlinien des FFH.

Einen Grund für den Rückgang des Bestandes stellt die Destruktion des natürlichen Lebensraumes der Sand-Silberscharte durch das Bauen von Gebäuden und das Nutzen der Flächen für die Land- und Forstwirtschaft dar. Doch auch das Aufforsten der Küsten- und Binnendünen haben ihrem Habitat geschadet, da eine starke Beschattung der Steppendünenpflanze unzuträglich ist. Außerdem wird die Silberscharte von nichtheimischen Arten verdrängt.

Ursachen 

Um diesem Problem entgegenzuwirken bestehen verschiedene Ansätze:

  • Das Errichten von Naturschutzgebieten, wie dem Mainzer Sand
  • Nichtheimische Pflanzen, die den einzigartigen Lebensraum eines NSG gefährden, müssen entfernt werden
  • Der Sand, der abgebaut wurde, kann – wie im NSG Astheimer Dürringswasen – wieder aufgeschüttet werden
  • Förderung von Projekten, wie das LIFE-Natur-Projekt, das von der EU unterstützt wird und bereits Erfolge bei der Sicherung und Erweiterung des Sand-Silberschartenbestandes geliefert hat

Pflanzen sind die stillen Bewohner unserer Erde, bereichern diese und schenken ihr Farbe. Deshalb ist es wichtig über den Naturschutz zu sprechen und über ihn zu informieren. Die Jurinea cyanoides ist Teil der Artenvielfalt auf Erden, hat als Überlebenskünstlerin der Natur und dem Klima getrotzt und ist dennoch aufgrund menschlichen Handelns in ihrer Existenz bedroht. Damit die Sand-Silberscharte in Zukunft nicht nur aus einem Buch betrachtet werden kann, ist es essenziell sie zu schützen und Verantwortung für ihren Erhalt zu übernehmen.

Noch ein kleiner Beitrag zum Artenschutz:

Literaturangaben
Elsner, Otto: Das LIFE-Projekt „Sicherung und Entwicklung von Jurinea cyanoides (L.) Rchb. in den Sandgrasheiden bei Volkach“ zum Schutze der Sand-Silberscharte und ihrer Lebensräume. In: Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (Hg.): Artenhilfsprogramme. Augsburg 2001, 175-186.
Hauke, Ulf: Jurinea cyanoides (L.) REICHENBACH. In: Bundesamt für Naturschutz (Hg.). Zusammengestellt und bearbeitet von Barbara Petersen/ Götz Ellwanger/ Gudrun Biewald/ Ulf Hauke/ Gerhard Ludwig/ Peter Pretscher/ Eckhard Schröder/ Axel Ssymank.:Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten der FFH-Richtlinie in Deutschland. Bonn 2003, 111-116.
Redaktion des Bundesamts für Naturschutz: „Jurinea cyanoides“ auf FloraWeb.de (o. J.). https://www.floraweb.de/pflanzenarten/druck.xsql?suchnr=3177&sipnr=3177& (letzter Zugriff: 22.01.2021).
Redaktion des Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie: „Die Sand-Silberscharte in Hessen“ auf hlnug (o. J.). https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/naturschutz/shop/Schriften_Naturschutz_564.pdf (21.01.2021).
Redaktion des Verbandes Botanischer Gärten: „Jurinea cyanoides (Sand-Silberscharte)“ auf verband-botanischer-gaerten.de (o. J.). https://www.verband-botanischer-gaerten.de/Pflanzenarten-Erhaltungskulturen.php?item=J&seite=jurinea-cyanoides (21.01.2021).
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Gabriele Kothe-Heinrich, File:Jurinea cyanoides Eberstadt 3 flowers and fruits.JPG – Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Jurinea cyanoides Eberstadt 3 flowers and fruits.
Abbildung 2: Thomas Huntke, Jurinea cyanoides-03-Griesheim-2009-Thomas Huntke – Sand-Silberscharte – Wikipedia, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Jurinea cyanoides, Sand-Silberscharte – Blüte.
Abbildung 3: Gabriele Kothe-Heinrich, File:Jurinea cyanoides Eberstadt 1 habitus.JPG – Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Jurinea cyanoides Eberstadt 1 habitus.
Abbildung 4: Gabriele Kothe-Heinrich, File:Jurinea cyanoides Eberstadt 3 flowers and fruits.JPG – Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Jurinea cyanoides Eberstadt 3 flowers and fruits.
Abbildung 5: Dietmar Foelsche, File:40204 Silberscharte-Jurinea cyanoides.jpg – Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0 AT, Silberscharte-Jurinea cyanoides.
Abbildung 6: E. Brude, BG Frankfurt, Jurinea cyanoides   |   Verband Botanischer Gärten e.V. (verband-botanischer-gaerten.de), Lizenz: CC BYNC-SA 2.0 DE, Jurinea cyanoides.
Abbildung 7: Thiotrix, File:NSG Düne am Ulvenberg von Darmstadt-Eberstadt 2012.JPG – Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Düne am Ulvenberg von Darmstadt-Eberstadt 2012.