
Die Blüte, die vom Kap der Guten Hoffnung bis zum Schnittblumenexportland reiste
Ein Beitrag über die Verkaufsschlagerblume eines jeden Sommers

Die Presse spricht vom „Siegeszug“ oder der „Karriereblume“, die die Welt – von Süd nach Nord – eroberte. Es ist die Rede von der Pelargonie. Im Volksmund als „Geranie“ bekannt. Die Exotin schmückt Balkone, Gärten, Blumenkästen, Grabstätten, Gedenkstätten, ziert Fassaden und ihre Vielfalt ist in freier Wildbahn in Südafrika zu bewundern. Im Sommer begegnet sie uns also nahezu an jeder grünen Ecke – rund um den Globus.
Die bekannte Zierpflanze ist in den nord-westlichen breiten Graden nicht heimisch. Die Exotin ist beheimatet in den südlichen Regionen Afrikas und kommt zumeist an der Kapregion vor.
Botanisches Zeitmärchen
Es war einmal eine blühende Schönheit, die im 17. Jahrhundert ihre weite Reise von Süd nach Nord auf sich nahm. Bis heute prägt sie unser Gartenbild. Und wenn sie im Herbst nicht beim ersten tiefen Frost verstorben sind, so erfreut sich das Auge im nächsten Sommer noch einmal.
Botanische Kulturgeschichte
Nach ihrer weiten Reise über das Tyrrhenische Meer, Südeuropa, die norditalienischen Gebirgsketten wie die Ötztaler Alpen erreichte die Blume Mitteleuropa. Sie verbreitete sich weiter über Österreich, die Schweiz, Deutschland und andere Nationen und erreichte das niederländische Leiden. In der Universitätsstadt mit malerischer Architektur ist der älteste westeuropäische Botanische Garten Hortus botanicus zu finden. Die Pflanzensammlung dieser botanischen Schatzkammer umfasst 20.000 verschiedene Pflanzensorten. Die weite Reise der Sommerblume ist jedoch nicht der einzige Grund für ihren Beinamen „Karriereblume“. In ihrer Vielfalt – über die Form bis hin zur bunten Blütenpracht – stellt sie viele Blüten in den Schatten. Doch damit nicht genug. Die Schweiz schmückt sich als Nation mit der farbenfrohen Blume und erkor sie zu ihrer Nationalblume.
Wurzeln am Kap der Guten Hoffnung
Ursprünglich stammt die Geranie aus Südafrika. Hier sind mehr als 250 Wildformen beheimatet. Ein Großteil lässt sich rund um das südafrikanische Nationalsymbol – den Tafelberg – bewundern.
Ebenso finden sich wenige natürliche Vorkommen der Geranien in Australien, Neuseeland, dem Iran und Irak, der Türkei, Madagaskar und in Ostafrika.
Eine Reise von Süd nach Nord – Kolonisatoren brachten die Geranie nach Holland
Im Jahre 1672 wurden erstmals Geranien vom Kap der Guten Hoffnung in das niederländische Leiden versendet. Die niederländische Kompanie hatte am Kap eine Versorgungsstation ihrer Schiffe angelegt. Paul Hermann (1646-1695) war Schiffsarzt und Botaniker der holländischen Kompanie. Für befreundete Botaniker sammelte er am Kap zahlreiche Pflanzen und verschleppte sie im Auftrag der Besatzer in die holländische Heimat. Aus europäischer Sicht „fremde“ Pflanzen wurden zu „Trophäen“ und begehrten Gegenständen aus der Ferne. Hermann entdeckte die Vielfalt der Geranie rund um den Tafelberg. Er veranlasste den Transport einiger Sorten in die niederländische Heimat. Erstaunlicherweise überstanden die zähen, robusten, krautigen Pflanzen die lange Reise von Süd nach Nord. Im Jahre 1686 erreichten zehn Geraniensorten das niederländische Leiden und fanden eine neue Heimat im Botanischen Garten der Stadt Leiden.
Die Geranie wird zur kultivierten Begehrten
Von Leiden aus gelangte die Geranie zunächst in weitere botanische Gärten in den Niederlanden. Im 18. Jahrhundert war sie dann in botanischen Gärten überall in Europa zu finden. Der Adel und wohlhabende Städter*innen entdeckten die schöne Pflanze für sich und kultivierten sie in ihren Gärten und Gewächshäusern. Von Anfang an war die Pelargonie fälschlicherweise unter dem Namen Geranie bekannt. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie der botanischen Gattung Pelargonium zugeordnet. Die Bezeichnung Pelargonie konnte sich allerdings bis heute gegen den volkssprachlichen Ausdruck „Geranie“ nicht durchsetzen. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde ihre Verbreitung durch die kolonialistischen Handels- und Unterdrückungsstrukturen möglich. Sie wurde zu einer frühkapitalistischen Ware und verbreitete sich die Geranie in ganz Europa.



Botanischer Stammbaum
Die Erfolgs- und Verkaufsschlagerblume – im Volksmund als „Geranie“ bekannte – Pelargoniegehört zu der Familie der Storchenschnabelgewächse. Die verschiedenen Farben und Formen der Blütenblätter und Laubblätter erstrecken sich über eine enorme Vielfalt hinweg. Ihre Blüten reichen von einfachen bis hin zu gefüllten Blütendolden. Die kultivierten Geranien, wie wir sie kennen, haben mit den ursprünglichen, afrikanischen Vorgängern und krautigen Wildarten nur noch wenige Gemeinsamkeiten.
Weltweite Farbenpracht – wo man nur hinsieht
Im Wechsel vom Frühling auf den Sommer erstrahlt sie in allen Blumengeschäften. Die Geranie schmückt im Alpenraum die massiven Holzbalkone und Fenstersimse.
Als Sommerbepflanzung ziert sie häufig Grabstätten sowie das vertraute Heim – ob als Balkon- oder Terrassenblume – wohin das Auge reicht. Doch auch im botanischen Garten, Parks, Anlagen und Denkmälern ist sie zu finden.
Die Geranienblüte ist als Sommerschmuck mit ihrer üppigen Blütenbraucht aus dem Sommerbild nicht wegzudenken. Wo immer sie auch wächst, sie verwöhnt uns mit ihren leuchtenden Farben auf der ganzen Welt. In vielen Nationen zählt sie zum kulturellen Bestandteil.
Jede*r kennt sie? Doch kennen wir sie alle?

Die Geranie wird heute als Sommerpflanze für eine Saison gezüchtet. Der Markt bedient so die hohe Nachfrage. Doch sucht man sie abseits ihres Pflanztöpfchens, so findet man sie auf weitläufigen Weideflächen und Talebenen. Hier kann sie bis zu einem Halbstrauch heranwachsen und mehrere Jahre alt werden. Die einzelnen Blütenblätter sammeln sich in den sonnengelben Blütendolden. Ihre Nektarröhre kann, je nach Sorte, von einigen Millimetern bis zu wenigen Zentimetern Länge reichen. Manche Arten erreichen sogar eine Wuchshöhe von bis zu zwei Metern. Wiederum andere Sorten wuchern wie Sukkulenten in den staubigen Wüsten. Hier dienen dicke grüne Stämme als Wasserspeicher für Dürreperioden.


Marktschlager der Blumenbörse
Die Geranie ist heute nicht mehr vom saisonalen Blumenmarkt wegzudenken. Ihre Zucht und Produktion ist zu einem globalen Geschäftsfeld herangewachsen. Jedes Jahr finden sich neue Sorten auf dem florierenden Markt. Bereits jetzt können wir uns an mehr als 500 verschiedenen Sorten erfreuen. Lediglich gut die Hälfte hat ihren Ursprung in der wilden Familie der Krautgewächse. In Afrika und Mittelamerika werden die Stecklinge gezüchtet und von dort aus mit dem Flugzeug in die ganze Welt verteilt. Vor Ort übernehmen Gärtnereien ihre Aufzucht zu verkaufsfertigen Topfpflanzen.



Verkaufsschlager Zierpflanze
Die Geranie gehört zu den umsatzstärksten Zierpflanzen unseres Globus. Allein auf dem europäischen Markt werden jedes Jahr mehr als 500 Millionen Geranien verkauft. Die Geranie scheint stetig im Kurs zu steigen und erobert die „Pflanzenbörse“ im Eilschritt. Ein Ende der Erfolgsgeschichte des Verkaufsschlagers scheint nicht in Sicht.
Weitere Verwendung
Verwendung finden die Blätter der sog. Duft-Geranie als Duftstoff. Aus einigen Sorten wird „Geranien-Öl“ gewonnen, das für die Parfümherstellung genutzt wird. Es gilt seither als Rosenduft-Ersatz-Mittel. Zudem können die Blätter als Gewürz in der Küche verwendet werden.
Die Geranie als „Modepflanze“
Der Komponist Johann Sebastian Bach galt als Geranien-Liebhaber. Im Jahre 1852 erkor die Zeitschrift Gartenflora die ferne Pflanze zur „Modepflanze“. Auch die französische Modewelt bedient sich der Geranie. Im 19. Jh. wurde sie in Südfrankreich im großen Stil kultiviert, um sie der Parfümindustrie als Duftstoff zu verkaufen. Bis heute betört sie durch ihren rosig-süßlichen Duft und ihre Farbenpracht.
Literarische Geranie
Die Geranie, die unscheinbare Blüte der Literatur. Zu finden ist sie dennoch bei renommierten Autor*innen. Einer der bekanntesten Autoren deutschsprachiger Trümmerliteratur – Wolfgang Borchert – schrieb in seiner Kurzgeschichte „Die traurigen Geranien “ (1962 im Rowohlt Verlag erschienen) über die Geranie. Marion Poschmann bezieht sich in ihrem Aufsatz „Pelargonium triste: Geschichte der Geranie“ auf Borcherts Erzählung („Marion Poschmann trifft Wilhelm Raabe : der Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2013“, erschienen 2014 im Suhrkamp Verlag).

„Weite den Blick hinaus in deine blühende Welt, denn wenn du Glück hast, dann blühe ich, wenn du diese Zeilen liest, noch immer.“